Unsere Verabredung um 0 Uhr am 24. 12. 1995 in der Wiener Augustinerkirche

14.02.2025

Wir haben uns in Wien verabredet - wir dachten uns um 0 Uhr in der Christmette der Augustinerkirche - das ist eindeutig.

Ich war damals 18 Jahre alt, hatte gerade mit meinem Psychologiestudium an der Universität Wien begonnen, lebte bei meiner Mutter in der Landskrongasse in der Wiener Innenstadt. Zu Weihnachten hatte sie ihren zweiten Mann eingeladen, Lorenz Neunteufel, die Ehe war längst geschieden, aber sie verstanden sich gut. So saß ich mit meiner Mutter, mit Lenz, den ich immer gerne mochte, und mit meinem Bruder beim Abendessen, wir verteilten Geschenke und ich bekam, wie ich es mir gewünscht hatte, eine Armbanduhr. Sie gefiel mir sehr, weil sie so schlicht war.

Gegen 23 Uhr gingen alle schlafen beziehungsweise nach Hause. Doch ich hörte einen Ruf. Ich sollte in die Mette gehen, alleine. Ich wusste nur nicht wohin. Nicht einmal als ich das Haus verließ, wusste ich das damals. 

In Wien lag Schnee und ich stapfte durch die Stadt. Etwas führte mich in dieser Nacht in die Augustinerkirche. Als ich dort ankam, war es ein paar Minuten vor Mitternacht. Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. Und dieser letzte Platz befand sich im rechten Seitenschiff, direkt beim heiligen Ambrosius. Ich sollte mich neben meinen Mann setzen. 

Wir beäugten uns aus dem Augenwinkel die ganze Mette hindurch. Ich zeigte ihm - unbekannt - meine Armbanduhr. Er sagte mir Jahre später, dass er mich dauernd küssen wollte. Er war mit einer Freundin in der Mette, die jedoch die Lesung vortrug. Daher war der Platz neben ihm leer. Und als sie nach der Mette zurückkam, sah sie uns - und verschwand. Wir gingen zur Agape, zu der geladen wurde - und verliebten uns bei einem Gläschen Rotwein umgehend ineinander. Ein bloßfüßiger Mann in Lumpen gekleidet kam in jener Nacht auch zu uns - und sagte uns, dass Jesus nicht am Kreuz gestorben sei.

Morgen fahre ich in die Abruzzen, nach Manoppello.